Wenn ich auch wandere im Tal des Todesschattens fürchte ich kein Unglück, denn Du bist bei mir

Du bist bei mir

Du bist bei mir

Wie viele Bauklötzchen kann man aus dem Turm herausziehen, ohne dass er umkippt? Wie stark kann man ihn aushöhlen, wann fängt er an zu kippen? Wann ist seine Grenze erreicht, seine Statik bedenklich, nimm ihm noch das eine Klötzchen weg, dann kollabiert er wie ein sinkhole, es beginnt ein bodenloses Rutschen.

War er nicht eigentlich stabil gewesen? Seine Ehe war vorbildlich, die Kinder auch. Er war kein Papa, der keine Zeit hatte, sondern ein aktiv zugewandter Vater, der sich für seine Familie am Wochenende explizit Zeit nahm. Sie machten zusammen wunderbare Ausflüge als Familie, er und sie gingen Arm in Arm und wirkten so glücklich.

Jemand in der Familie starb, es war die eigene Schwester, mit der er als Kind so viel zusammen unternommen hatte, sie waren wie Pech und Schwefel gewesen, wie eine kleine verschworene Gemeinschaft. Der Krebs hatte sich von der Brust bis zur Lunge durchgefressen und verrichtete seine lautlose Zerstörung bis sie nicht mehr lautlos war.

Er betete sehr wohl zu Gott um Heilung.

Bis er entlassen wurde. Der Chef nahm eine entschuldigende Haltung ein, er konnte die Entscheidung nicht richtig in Worte fassen, er wollte eigentlich nicht, aber die Firma musste sich Luft verschaffen und sie würden ihn anständig abfinden.

Wofür ist ein Mann da? Hier auf diesem Planeten? Stempelkarte rein….
Daheim. Noch genug Geld. Die Abfindung war fünfstellig. So schrieb er tatsächlich seinen Lebenslauf noch einmal ganz von vorne, er begann mit der Geburt:

Mein Lebenslauf

Geboren
Schule / Ausbildung
Stelle
Stelle
Stelle
Irgendwann im Laufe dieser Selbstrückschau wurde ihm schwummrig vor Augen und er besann sich noch einmal. Wie würde dieser Lebenslauf wohl aussehen in zehn oder zwanzig Jahren? Herzstechen.

Er glaubte, dass Jesus Christus sein Versorger ist. Er spendete an Organisationen, die er für vertrauenswürdig hielt.

Aber sollte er jetzt diese Spenden beibehalten, nachdem die Einkommensquelle dermaßen verdünnt wurde?

Seine Frau kannte ihren Mann nicht wieder, er war immer so selbstbewusst gewesen, fröhlich, aufgeschlossen, für jedermann zugänglich, allen gegenüber offen und freundlich, war das nur durch seinen Beruf, durch den Erfolg im Beruf bedingt gewesen? Kann eine Arbeitslosigkeit sozusagen die Persönlichkeit zerstören? Oder wenigstens stören? Sie kannte ihn nicht wieder.

Wer war er vorher gewesen? Wodurch hatte er sich definiert? Wer dachte er, dass er war?

Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Und wenn ich auch wandere im Tal des Todesschattens, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir.

Diesmal fiel der Urlaub aus, weil Papa nicht in Urlaubsstimmung war und das Geld nicht mehr so locker floss, die Kinderchen meckerten vernehmlich aber es war kein Weltuntergang, Mama ging mit den kids ins Freibad.

Im Freibad traf sie ihre Schulfreundin, die auch mit ihren Kindern den Temperaturausgleich suchte. Sie sprangen ins Wasser, rutschten, patschten und spielten den Frisbee gegen den Wind. Die Schulfreundin konnte nicht mehr richtig laufen, seit sie bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall eine Hüftfraktur erlitten hatte, aber sie machte für sich das Beste daraus. Sie glaubte nicht mehr an einen Gott, der solch ein Unglück in ihrem Leben zuließ. Sie hatte sich vom Glauben an Gott abgewandt, sagte sie.

Ein Kind hatte einen Zeckenbiss mit nachfolgender Borreliose gut überstanden, manche sterben daran. An einer kleinen Zecke. Ein Kind.

Beim Parken verlor das Auto Benzin, es hatte eine Undichtigkeit am Benzinschlauch durch einen Marderbiss, der sofort ! behoben werden musste. Vor seinem geistigen Auge sah er schon die Feuerwehr ausrücken, Benzin tropfte, er versuchte das Leck zu finden, zu dichten, das Unheil zu verhindern. Er lag unter seinem eigenen Auto.
Und wieder überlegte er.

Jesus fragte Petrus: Hast du mich lieb? Petrus? Liebst du mich??

Dieses Leck konnte man dichten, indem man den Schlauch einfach abschnitt und den nun verkürzten Schlauch etwas aus der Kurve wieder auf seine Hülse draufzog und am Besten fest verschraubte. Mit schwarzen Händen überstanden und durchs wirre Haar gefahren.

Gewonnen.

Dann kam die Ischias-Zeit, bzw es fing an als Ischias aber war in Wirklichkeit oder wurde dann ein Rückenproblem, er konnte nicht mehr gerade laufen, nicht sitzen, nicht stehen, es tat in jeder Stellung weh, außer im Bett von Seite zu Seite gab es gelegentlich Linderung. Mit eintretendem – wirklich – mit gleichzeitig eintretendem Schmerz in den Zähnen.
Tränen.
Fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir…Du bereitest vor mir einen Tisch angesichts meiner Feinde.

Er konnte sie sehen, die Feinde, sie grinsten ihn wortwörtlich an. Jeden Tag und jede Nacht. Ihre Zähne blitzten so weiß, wenn sie grinsten, sie fühlten sich in der Übermacht, sie ließen es ihn spüren. Sie hatten im Moment gewonnen.
Der Schmerz.

Doch du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.


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