Von neuem geboren
Aus irgendeinem Grund wollte er es genauer wissen, irgendetwas hatte ihn neugierig gemacht. So schaute er mal bei Jesus vorbei, der das ganze Volk in Unruhe brachte mit seinen Reden, mit seinen Zeichen und Wundern. Er sympathisierte mit diesem Jesus und seinen ungebildeten Jüngern. Da er, Nikodemus, bei den Juden sehr angesehen war und nicht mit diesem umstrittenen Jesus gesehen werden wollte, kam er erst nach Einbruch der Dunkelheit. Es war ihm peinlich, aber er kam zu Jesus mit seiner Nacht.
Den Einstieg begann er mit einem Kompliment: Meister, niemand kann die Wunder tun, die du tust, es sei denn, Gott ist mit ihm.
„Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen“ war die undiplomatische Antwort von Jesus. Der nächtliche Besucher schaute ihn etwas verdutzt an. Wovon spricht Jesus? Was geht hier ab? Soll ein Mensch ein zweites Mal zur Welt gebracht werden?
Und Jesus legte nach: „Was vom Fleisch geboren ist, vom Menschen, das ist Fleisch und was von Gott, vom Geist geboren ist, das ist Geist.“
Auch diese Antwort lies Nikodemus fragend zurück. Reicht es nicht, heilige Schiften teils auswendig zu kennen, die Gottesdienste zu besuchen, was willst du von mir – kann ein Mensch ein zweites Mal geboren werden? Kann ein Mensch sein bisheriges Leben ungeschehen machen und nocheinmal ganz von vorne anfangen wie eine neue Geburt?
Nikodemus schaute Jesus mit großen Augen an.
„Wir reden, was wir gesehen haben und ihr nehmt es nicht an! Wenn du schon nicht glaubst, wenn ich von Dingen rede, die hier auf der Erde sind, wie viel weniger wirst du glauben, wenn ich von den Dingen des Himmels rede?“
Nikodemus kam nicht mehr zu Wort.
Jesus weiter: „Niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen als nur der, der aus dem Himmel herabgestiegen ist. So wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so wird der Menschensohn erhöht werden. Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.“
Jesu redete immer weiter, Nikodemus wusste nicht, wie ihm geschah. Wovon sprach dieser Jesus? Von neuem geboren werden, vom Himmel herabgekommen? Was bedeutete das alles? Er hatte ihn als Lehrer Israels streng getadelt. Dabei kannte er sehr wohl die Schriften aber nicht in der Art und Weise Jesu. Seine Religion war mehr eine Pflichterfüllung, eine Religionsausübung. Das verursacht ein gutes religiöses Gefühl – aber Jesu schockte ihn vollkommen: Wenn du nicht von neuem geboren wirst, kannst du das Reich Gottes nicht sehen!
Was sollte er denn tun, nichts im Bereich seiner Möglichkeiten. Jesus brachte ihn in eine absurde Position. Er, als ein angesehener Lehrkörper Israels, wurde mit solchen beinahe kindhaften Vergleichen bedacht. Dennoch dachte er noch lange über diese Worte nach. Es wäre für ihn blamabel gewesen mit Jesus gesehen zu werden, aber von neuem geboren zu werden, war für ihn auch keine Option.
Was aus Fleisch geboren ist, ist Fleisch, was aus Geist geboren wird, ist Geist, – es trieb ihn um, was wollte ihm Jesus damit sagen? Wie undidaktisch war Jesus eigentlich unterwegs? Warum lies er Nikodemus mit solchen Fragen zurück? Anstatt ihn zu umarmen und ihm die Zusage ewigen Lebens oder des Paradieses zu machen, brüskierte er Nikodemus mit seiner Gottesferne? Und das bei einem, der gewohnt war, die geweihten sakralen Geräte des Gottesdienstes zu tragen und die Schriftrollen …. Nikodemus war nicht irgendjemand, er war der Lehrer Israels!
Was von Menschen kommt, ist und bleibt menschlich, was von oben kommt, ist göttlich! Das heisst Gnade, Annahme und Vergebung.
Auf einmal war dem Lehrer Israels klar*, dass er nicht mehr so weiterleben konnte wie bisher. Gott ging es um sein Herz, um sein Innerstes, sein eigentliches Ego, wer bin ich? Wer bist du? Wer bist du eigentlich?
Hier wurde es kurz dunkel und schummrig um Nikodemus. Er wollte sich mit dieser Frage nicht so sehr auseinandersetzen. Jesus hatte ihm nicht gesagt: Geh hin, lass dich taufen und befolge die Gebote, liebe deinen Nächsten, sondern er sprach ihn direkt auf eine neue Geburt an und vom Irdischen und vom Himmlischen!
Jesus hatte in fünf Sätzen fünf verschiedene Fässer aufgemacht und es erschien Nikodemus abseits des Begreifbaren. Was aus dem Geist geboren ist…
Es erging ihm wie einem Fremden, der in einem Land ankommt, wo alle sein Diplome völlig wertlos sind. Er hatte nichts vorzubringen, er hatte keine Eintrittsberechtigung, um in dieses Reich Gottes per Geburt hineinzukommen. Wie sollte er es anstellen? Wer sollte seine Mutter, wer sollte sein Vater sein?
So betete er vorsichtig ein einfaches Gebet: Lieber Gott, ich will dein Kind sein, ich will an dich, Jesus Christus, glauben, dass du für mich in die Welt gekommen bist. Hilf mir, zu glauben und zu vertrauen wie ein Kind, das neu geboren ist. Ich will an dich glauben.
*Es ist leider kein happy end bekannt, hier aber fiktiv und als Wunsch auch für Dich geschrieben. Bibelzitate sind teils gekürzt, die Verlinkung ist mit dem kompletten Text!
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