Schon als Kind war ihm diese kleine Klappe oben an der Tür aufgefallen, man konnte sie zur Seite schieben und durchschauen auf die nächste Tür mit noch einer Klappe. Was mag dahinter sein, hinter der nächsten Klappe?
Die nächste Tür mit der nächsten Klappe. Es handelte sich um drei sagenumwobene Türen, jeweils versehen mit einer seitlich verschiebbaren Klappe. Jede dieser Klappen war geschlossen und wenn eine Klappe einmal geöffnet war – was selten genug der Fall war – sah man nur bis zur nächsten Stahltür mit der nächsten Stahlklappe und die war wiederum geschlossen.
Türen und Klappen sind geschlossen, das ist ihre Funktion, geschlossen zu sein und dann, wenn es dem Besitzer beliebt, auch einmal geöffnet zu werden. Welches Objekt, bitteschön, hat drei hintereinander liegende Türen, jeweils mit einem Abstand von mehreren Metern hintereinander liegend, in Beton eingegossene Stahltüren, jeweils versehen mit einer knirschenden oben liegenden schweren Stahlschiebeklappe, -schiebetür?
Wer macht so etwas?
Manchmal stellte er sich auf den Hocker und öffnete diese Klappe. Er schob sie zur Seite, sah hindurch: Durch die nächste Klappe schimmerte etwas Licht, am rostigen Rand der nächsten Klappe. Es war die Sehnsucht nach etwas wie Freiheit. Er vermutete, dass hinter der Tür Befreiung wäre, irgendein Geheimnis, etwas, das den Alltag durchkreuzen würde, eine Überraschung hineinbrächte, das dem Tristen den Zahn ziehen würde. Ein Blick in die andere Richtung. Ein Blick in die Hoffnung.
Diese zweite Tür. Sie war schon immer da, mindestens bevor er war, war sie schon da. Das bedeutete, er musste sich diesen Umständen fügen. Er konnte nichts dagegen machen. Er war ihnen ausgeliefert. Warum ist da oben drin so eine kleine Hoffnungsklappe. Der Wind rappelte manchmal daran.
Er war eingesperrt in seiner Kammer, im Zimmer, so wenig Licht, zu wenig von Allem, nicht genug zum Leben, deswegen hoffte er so sehr auf diese Türen, drei geschlossene in Beton verankerte, stählerne Türen, feststehend wie Umstände, wie Monumente, keinen Widerspruch duldend.
Wer macht so was? Wer baut oben eine Klappe ein? Wer gibt den Menschen diese Hoffnung? Drei Schiebeklappen, die erste Tür, die zweite Tür, die dritte Tür??
Mittlerweile kann er nur mit viel Mühe die kleine Klappe seiner stählernen Tür öffnen, irgendwann hat er es gelassen, liegt in der Ecke auf seinem Stück Matratze, neben ihm ein Becher ohne Vernunft, eigentlich ohne Zukunft, ohne Hoffnung. Wohin? Für wen?
Die Türen sind verschlossen. Aus Tagen wurden Monate, Jahre, die Hoffnung wanderte vom Vorderhirn ins Hinterhirn und wurde nur noch vage Erinnerung. Die Persönlichkeit des Menschen ändert sich, der Mensch wird anders.
Weißt du noch, wie du als Kind hinaufgestiegen bist, die Klappe geöffnet hast, aber jetzt ist das alles Vergangenheit.
Er hat sich in die stabile Seitenlage begeben, liegt desillusioniert am Boden herum und irgendwas in ihm wankt. An der Wand spiegelt sich Licht, Lichtpunkte fahren auf und nieder, Lichtspiele an der Wand, helles hin und her sich bewegendes Licht. Das ist neu.
Er blinzelt, setzt sich auf, schaut, was da ist. Will sich auf die andere Seite drehen, da sieht er, dass der Lichteinfall durch die Klappe der Tür kommt, die den Blick freigibt zur zweiten Tür, durch deren geöffnete Klappe und durch die dritte Tür – alle drei Klappen sind geöffnet, was er sieht ist unglaublich.
Er kann es nicht fassen. Das Licht sättigt seine Seele, er steht fassungslos da, sieht sich satt und taucht ins Licht und schaut teils entsetzt, teils gebannt hinein. Er sieht wie in einem Film Jesus Christus am Kreuz, der ihm zuruft, dann denselben als Auferstandenen mit den Wundmalen an den Händen. Er fixiert, das was er sieht, er wagt es nicht auf die Uhr zu schauen, es könnte was verloren gehen von diesem Moment. Nach wenigen Minuten hat er verstanden, alle diese Fenster waren nur für ihn geöffnet, und er kommt wieder als ein Anderer. Ein Glaubender, Einer der weiß.
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