Aus Sicht der Beobachter

Der Auszug eines Landwirts aus seiner Heimat mitsamt seiner Viehherde, etlichen Mitarbeitern und dem Neffen, der spontan auch mit will, ist erstmal eigentlich nichts besonderes,. Ein gewöhnlicher Umzug eines Schafhirten, der für seine Schafe Grünland sucht, damit die Herde sich vermehrt – denn es gilt: Schaf gut – alles gut.

Schaf zufrieden, alle zufrieden.

Was ein Außenstehender nicht so ohne weiteres weiß, dass der Umzug stattfindet, weil Gott zu ihm, dem Familienvater gesprochen hatte. Er soll ausziehen, umziehen, fortziehen.

Jedoch findet er in der neuen Heimat bald darauf nur mangelhafte Weiden vor, so dass er weiter nach Süden ausweichen muss ins Nachbarland, wo erwartungsgemäß seine überaus schöne Frau entführt wird. Er hatte durch Erzählungen bereits die Ahnung und seine Frau vorsichtshalber als “Schwester” ausgegeben – faktisch seine Halbschwester- wohl wissend wie die Ägypter rund um den Pharao ticken. Finden sie irgendwo eine Schönheit, wird sie dem König vorgestellt. Ist sie verheiratet, wird der Mann “entsorgt”. Nun findet er an ihr Gefallen?

Ein Schicksal, das nicht nur ein Mal so stattgefunden hat — was der unwissende Beobachter allerdings nicht weiß – das Leben des ägyptischen Königs funktioniert auf einmal komplett nicht mehr. Von Gott gesandte Plagen ärgern ihn und sein Haus, wodurch er dann bemerkt, dass die eingewanderte Sara nicht nur eine ausnehmend schöne Frau ist, sondern die Frau dessen, der sich aus Angst als ihr Bruder ausgegeben hat. Der wiederum – wie soll ein ahnungsloser Beobachter das erkennen – im Auftrag Gottes unterwegs ist.

Der oberflächliche Beobachter -- das Bild zeigt den anlehnenden Kopf an der Scheibe eines Omnibusses. Es ist eine Sache etwas zu sehen, eine ganz andere Sache, die Beweggründe und Hintergründe zu verstehen.

Der König versteht – und komplimentiert Sara zurück zu Abram und gibt ihm wiederum das Geleit zurück ins Land der Kanaaniter.

Hier ist ausreichendes Weideland immer noch knapp, weswegen er sich von seinem Neffen schweren Herzens trennt. Lot geht mit seinen Herden weiter in Richtung Sodom.

Ohne die vorliegenden Berichte aus erster Hand ist hier ein umherziehender Viehnomade mit seiner Gefolgschaft auf der Suche nach Weideland, einfach ein Ausländer, unterwegs. Für die Einwohner Kanaans ist Abram irgendein Zugewanderter, der ihnen begegnet, sie kennen ihn,

“Ja, er ist bei uns durchgezogen. Wir wissen von ihm. Nach seinem Ägyptenausflug schien er zu noch mehr Wohlstand gekommen zu sein, man sah es an seiner Herde, dem Schmuck seiner Frau. Was soll man sagen? Wir kannten ihn vom Sehen und vom Durchziehen. Was ihn antreibt, seine Eigenheiten und das Anrufen seines Gottes – sorry, davon wissen wir wenig bis nichts,” würden die Von-Außen-Betrachter sagen.

So ganz ohne Inside-Informationen.

Der oberflächliche Beobachter -- wieder zeigt das Bild den anlehnenden Kopf eines Menschen im Omnibus. Er denkt nach und mit und sieht mehr als der oberflächliche Beobachter.

Einfach nur ein Wanderer, wie so viele vor ihm und nach ihm.

Ca 730.500 Tage später: Ein Wanderer aus Nordisrael “was kann aus Nazareth Gutes kommen?” trat mit einem gewissen Anspruch auf und hat den ausgebildeten Schriftgelehrten gefälligst gar nichts zu sagen.

Jedoch machten Zeichen und Wunder das Volk abspenstig vom Vertrauen auf die einzigartige Lehre der Pharisäer in ihrer jeweiligen Auslegungsvariante vom Sabbatweg bis zum Abspülen. Immerhin hörte man, dass Blinde plötzlich sehen und ihm proklamierend folgen und gleichzeitig Gott preisen!

So muss er denn von Gott sein!
Dann müsste Jesus ja von Gott sein.

Für einen gewöhnlichen Bewohner der Gegend war die Gruppe um Jesus ein kurzer schneller Durchlauf, er war in der Gegend, da gibt es einen Auflauf, ein Hype, sie bedrängten ihn regelrecht, wenn man sich in seine Nähe begab, musste man gut aufpassen, irgendetwas mitzukriegen, denn er galt mindestens als Prophet Gottes. Seine Lehre war ausgiebig und irgendwie tiefgründig. Selig sind die Trauernden. Liebt, die euch hassen, tut euren Feinden Gutes…..

Dann war er weg, weitergezogen. Einige zogen ihm regelrecht hinterher, gaben Haus und Hof auf, er war bereits im nächsten Dorf unterwegs. Von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt, jeweils nur eine kurze Zeit, ein paar Tage und schon war alles vorbei.

Die Gerüchteküche war aktiv, die Pharisaer warnten mehr oder weniger deutlich, dass sogar der Synaygogenausschluss anstehen könnte, wenn man ihn gut findet, geschweige denn – ihn zitiert oder ihm glaubt.

Er lehrte aus der Bibel, kannte sich in den Schriften aus, dass den Gelehrten teils der Mund offen stehen blieb.

Aber nun ist er durchgezogen. Paar Tage Rummel, Lautstärke, Aufbruch, Hören und Staunen.
Durch. Aus und vorbei.

Anmerkung des Autors: Kein Internet.
Kein Livestream.
Keine Presse, die nach ihrem Gutdünken berichtet.
Kein Fernsehen.

Jedoch Interviews mit Leuten, die ihn gesehen haben, gar von ihm geheilt wurden. Wer hat dich geheilt?

Als er wahrheitsgemäß Jesus als Heiler nennt, wird es ganz hart für ihn, jedoch freut er sich zu sehr über seine Gesundung und hält daran fest:
Es war Jesus.

Für einen Außenstehenden, Nicht-Insider ist es ein schneller Durchlauf, ein kurzer Auflauf, der Zoff der Pharisäer, die sehr fröhlichen Geheilten, die scharfen, nachdenklich machenden Predigten Jesu und dann ist wieder alles rum.

Monate später — er sei verhaftet worden. In Jerusalem wollten sie ihn hinrichten und haben das dann auch getan.
Gekreuzigt.
Nicht durch Juden, sondern, indem sie die römischen Statthalter dazu brachten, Jesus zu töten.

Rückwirkend betrachtet, ging alles sehr schnell, man sagt drei Jahre – in unserem Dorf wirklich nur wenige Tage – dann Monate später schon die Hinrichtung.
Alles vorbei.

Es soll grausam gewesen sein.

Bei uns wurde es mittags dunkel – wir erlebten das hier bei uns – weit weg von Jerusalem, wie die Sonne bereits am Mittag verdunkelte.

Das muss schon ein Mann Gottes gewesen sein, weiß nicht, was sie fanden, um ihn zu kreuzigen. Sie hatten ihn natürlich von Anfang an beobachtet, gehasst und schließlich getan, was sie tun mussten.

Wir hatten ihn, obwohl wir in Israel direkt im Epizentrum wohnten, kaum gesehen, kaum mitgekriegt, er war kurz da, predigte und schon war er durch.

War er irgendwie wichtig für uns?
War da irgendwas, was wir besonders hätten beachten müssen?
Wer ist er?
Wir wissen es nicht. Wir haben keine Insider Informationen, erzähl´ du uns doch mehr von dem, was ihn wirklich antrieb, weswegen er durch Israel unterwegs war und warum er am Kreuz starb und dann hieß es auch noch, er sei aus dem durchs Militär bewachten Grab auferstanden. Das ist die nächste Geschichte, die durchs Land ging.

Das war der Hammer.

Kommentare

Eine Antwort zu „Aus Sicht der Beobachter“

  1. Katja

    Guter Text! Interessant und eindrücklich geschrieben, mal eine ganz andere Perspektive.

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