Wozu bin ich hier?

Er kannte mich bereits als Ungeborenen, er sah mich, als ich krabbelnd Grashalme durch die Finger zog und durch die Wiese robbte – bis ich lief. Er war um mich, als ich im Sandkasten wütend die Sandform in Richtung meiner Schwester warf, weil ich gegen ihre bestimmende Art aufbegehrte. Der kleine wütende Rolf.

Er war da, als ich Kindergarten, Schule und Ausbildung durchlief, und er war hinter mir und um mich herum, als ich fragend nach ihm rief: Warum lässt du – oh Gott – das Unheil zu? Wieso passiert es mir? Und wozu?

Wozu bin ich hier?
Was mache ich?

Das sind die Kernfragen und egal, ob Sie nun ein guter Performer sind, der brauchbare Ergebnisse hervorbringt oder vielleicht jemand, der nichts Nachweisbares erschafft, in dessen Rücken sich die Tapeten ablösen und dessen Auto rasselnde Auspuffschellen mit dem Motorengeräusch in Einklang bringt: Was ist Ihre Kernaufgabe, weswegen sind Sie hier?

Kann man sich der Frage vielleicht mit dem Ausschlussverfahren nähern: Wir sind nicht dafür hier, uns gegenseitig die Schädel einzuschlagen, obwohl genau dies Usus geworden ist, – die Bilanz für 2023: 100 Kriege, geschätzt 500.000 Tote. Sie werden mir zustimmen, dass dies nicht der Sinn unseres Daseins ist. Und – schon haben wir die Darwinsche Evolutionslehre verlassen, die — survival of the fittest* voraussetzend — stoisch in die Hirne programmiert wird.

Wozu sind wir hier auf dem Wasserball mit den erdigen Trockenstellen, umgeben von Athmosphäre, Sonnenlicht, Idealtemperaturen für Menschen, Pflanzen, Tiere. Der Stein käme mit -270 Grad klar.

Kann man tastend und suchend einen ewigen Sinn im Leben erkennen?
Wenn einer wirklich ewig ist, ist er mir weit überlegen. Denn mein Leben ist nach unter hundert Jahren abgelaufen wie eine Spiralfeder, die – anfangs bis zum Anschlag aufgezogen – ihre eingelagerte Energie abgibt. Für den Konstrukteur des stahlfedernen Mechanismus eine Banalität.

Wir sind nicht hier, uns gegenseitig anzulügen, Menschen bewusst irrezuführen „gehen Sie 2km geradeaus und dann an der Ampel links“, „dieses Placebo wird Ihren Blutdruck senken“, „niemand hat vor, eine Mauer zu bauen“. – Auch wenn Herrn Juncker bei Engpässen die Lüge als unausweichlich erscheint, werden Sie mir zustimmen, dass man nicht in einer verlogenen Gesellschaft leben will. Während Sie weitergehen wird bereits hinter ihrem Rücken die Unwahrheit verbreitet. – Sie werden mir zustimmen, der Sinn des Lebens kann nicht im Lügen und auch nicht beim wohlwollenden Anhören derselben liegen.

Er muss woanders angesiedelt sein.

Ein Leben ohne Türschlösser, Überwachungskameras, Sicherheitsdienste, Computerviren, Passwörter bis zum-geht-nicht-mehr — wäre es nicht ein Traumleben? Stellen Sie sich vor, niemand will Ihre Kasse klauen – das Auto braucht keine Wegfahrsperre (die Sie eines Tages aussperren wird), Ihr Geld und Gold liegt zu Hause genau so sicher wie im Tresor der Bank, denn keiner beklaut Sie jemals. Keiner würde auch nur auf die Idee kommen, Sie zu berauben??!!

Sie stimmen mir zu, dass der Lebenssinn nicht im Diebstahl zu finden sein kann? Auch bedenken Sie: Wären Sie der erste Dieb der ganzen Menschheit, so lösten Sie nachher diese ganze furchtbare Kettenreaktion aus mit Kameras, PINs, Tresoren, Schlössern, komplettem totalem Misstrauen, das wollen Sie doch nicht??

Oder doch?

Wer hat die Suche-nach-dem-Sinn in den Geist des Menschen einprogrammiert? Interessanterweise beten viele Menschen genau dann zu Gott, wenn ihr Leben in unmittelbarer Gefahr ist. Sie versprechen Gott etwas, das sie nach ihrer Rettung-vor-dem-Tod tun wollen, woran sie sich später manchmal aber nur noch vage erinnern.

Wozu bin ich hier?

„Gott hilf mir, rette mich vor dem Tod!“
Die Hilfe kam – anders als gedacht.
Warum ist es Ihnen heute peinlich?

Sie hatten doch zu Gott gebetet, „hilf mir!
Vergib mir meine Schuld!“

Schuld gibt es, wenn es auch einen Maßstab gibt und jemanden, der den Maßstab anlegt. Und sei es Ihr eigenes Gewissen.

Nach Maßstab, Gewissen, Schuldzumessung und Gesetzesbruch – folgt die Strafe?

Wenn nein, warum erfolgt keine Strafe?
Wenn ja, warum erfolgt Strafe?
Wer ist Strafender und wer Begnadigender? Ankläger, Verteidiger, Richter und Ausführender.

Sehen Sie, wie ein Strudel zieht sich das Leben hin zur Frage nach der Schuld, auch Sie entkamen nur mehr oder weniger beschädigt diesen bösartigen Reißzähnen. Man fragt sich, wer hat sie installiert? Wozu gibt es den Schmerz? Und das Unrecht?

Der Mensch träumt von einer gewaltlosen Welt ohne Unrecht. Dass niemand mehr ab- oder unabsichtlich über die kleinen unterernährten Arme der Wehrlosen marschiert oder fährt. Ein Leben, das nicht mit Schuld auf den Knochenbergen der Ahnen gebaut wurden. (Sie können es nicht wiedergutmachen – und: Der Täter liegt neben seinem Opfer.)

Tief in Ihnen lebt die Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Frieden. Nicht nach Waffenstillstand, sondern nach Frieden.

Sie können es sich vorstellen?

Danach kommt die Freude zu sehen, wie Dinge funktionieren, wenn jeder Vogel, Apfel und auch der Nachbar in ihrem Element sind. Können Sie sich paradiesische Zustände vorstellen?

Das Hinweisgeberportal wird wieder geschlossen, die Security wird arbeitslos, Überwachungssoftware und deren Technik wird abgebaut, Sie werden nicht mehr missverstanden?

Sie können es sich vorstellen. Sie können den Wunsch fühlen, Sie merken, dass diese Welt erstrebenswert wäre, eine ganz andere Welt als die Evolution der Starken, die dank besser ausgebildeter Reißzähne überleben.
Die Evolutionslehre würdigt den Menschen herab und gibt ihm als Handwerkszeug die Überlegenheitsthese mit auf den Weg. „Geh damit in dein einsames Leben, mein Kämpferherz und sieh zu, wie du klarkommen wirst“.

Sie kennen die Sehnsucht nach so viel mehr: „Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach – liebt eure Feinde, betet für eure Verfolger“ — und, dass dies grandiose Sätze sind.

Die Tatsache, dass Sie sich ein besseres, anderes Leben vorstellen können, ist der Beleg für Ihren Unterschied zum Tier, dessen toter Körper ein Kadaver ist. Sollten Sie sterben, stirbt der eine Teil von Ihnen! —

Teil 2 folgt

*survival of the fittest — die Idee, dass der am besten Angepasste überlebt.

Kommentare

2 Antworten zu „Wozu bin ich hier?“

  1. Katja

    Danke – bin gespannt auf den zweiten Teil.
    Gott hat die Ewigkeit in unsere Herzen gelegt. ❤️

  2. […] Beitrag Wozu bin ich hier? erschien zuerst auf […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert