Der knarrende Lautsprecher

Übermächtig stand er da und trommelte mit den Fäusten gegen seine Brust. Seine Gegner wirkten klein, lachhaft gegen seine Erscheinung. Wenn er auftrat, verstummte Groß und Klein, er sprach besonnen, lehrhaft, dann lauter und steigerte sich zum Gebrüll. Keiner wagte zu widersprechen, jeder duckte sich weg, um den Druckwellen des Wortschwalls zu entgehen, denn er war der unstrittige Star seiner Kultur und seiner Zeit.

Die kleine Gruppe Erwählter traf sich zum Gebet, glaubend an einen Jesus, der für ihre Sünden gestorben und danach auferstanden sei. Er versprach ihnen Rechtfertigung und Auferstehung und ewiges Leben. Jedoch…..

Sie hatten ihn inthronisiert, weil er ihre Ansichten umfänglich durchsetzte. Nun strebte er dem Höhepunkt zu, er hatte Macht und Berühmtheit in Musik, Kultur, Politik erlangt, alles war ihm ergeben. Kommend aus der Gegenwart trat er die Macht an, nun präsentierte er sich als Beherrscher, vor dem Widerspruch in sich zusammensank. Um ihn herum ein Fahnenzug mit teils nackten Regenbogenfahnenschwenkenden, teils unklar zu Erkennenden.

“Wer will mit mir kämpfen? Wo sind meine Feinde? Wo seid ihr? Wer wird mir widerstehen? Wer ist so wie ich bin?”

Gleichzeitig: Lautes Feiern und Tanzen.

Keiner öffnete seinen Mund. Betreten schweigend ließen sie ihn gewähren, der übergroße Schatten seiner Erscheinung verdunkelte die Sicht und Zuversicht merklich.

Er hatte die Arme gekreuzt, die Brust angespannt und brüllte laut. Hinter ihm gab es keine Zweitmeinung, wenn er die Welt erklärte, wie der Mensch erstand vom Ursumpf ins Heute und “jetzt werden wir auch diese letzte Aufgabe zusammen, gemeinsam meistern!”

“Wer, wenn nicht wir?? Bitteschön! Wir können es! Yes, we can!!!!”

Keinerlei Widerspruch, die Christen neigten ihre Häupter im Gebet, dass Gottes Wille geschehe, wie im Himmel so auch auf……

“Es ist die allerletzte Zeit! Die Uhr zeigt fünf Minuten vor Zwölf und wir müssen zusammenstehen, um den Planeten zu retten – nur gemeinsam können wir es schaffen! Dafür braucht es Opfer, Einschränkungen, ihr verzichtet und gewinnt dafür eure Existenz, Freunde, Freude… es geht um das große Ganze!!!”
Er hielt seine Hände ausgebreitet wie ein Prediger, die Uhr stand wirklich auf kurz vor zwölf, der Himmel war dunkel, im Sommer kein Regen oder doch Regen, im Winter kalt, oder diesmal warm, jedenfalls war es ihm damit ernst.

Der knarrende Lautsprecher

Davon waren alle tief beeindruckt.

“Diesmal gibt es kein Zurück, wir fahren nicht mit angezogener Handbremse, sondern diesmal gehen wir aufs Ganze!!!!”

Gejohle, Geschrei, ekstatische Tänze.

Der Organist spielte die Bach-Kantate Nr 6 “Bleib bei uns, denn es will Abend werden”, langsam den Kopf im Rhythmus wiegend.

“Wir haben keine Geduld mehr mit den Sozialschädlingen, Diskriminierern, die unsere Art zu leben zerstören!” — verkündete der Vornehme, jetzt im Seitenprofil zu sehen, welch beachtliche Ansammlung von Muskelkraft, männlich anmutender Stärke! Vertrauen ausstrahlend, solche Menschen wissen, was gut und richtig für uns ist.

“Wir können es schaffen, wir werden gemeinsam – gemeinsam – die Erderhitzung niederkämpfen, ja, den Planeten mitsamt den Verwerfungen retten und dafür setzen wir uns ein Kraft unseres Amtes, der Verfassung, des Staates und allen ihm Untergebenen.”

Hier zitterte er und fragte sich, wie es jemals Zweifel geben konnte an seiner Mission, denn er meinte es gut, war früher einmal Pazifist gewesen und hatte schmerzlich dazugelernt, dass man mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln für seine Ziele kämpfen muss:

“Ein Mann ist kein Mann, wenn wir es sagen, eine Frau ist ein Mann, je nachdem – beuge dich!”

Sie beugten sich gehorsam nieder. Ihre Häupter neigten sich… Einige lachten.

“Alle zivilisierten Nationen guten Willens haben sich unserer weltweiten Bewegung angeschlossen,” etwas wie Berauschung überkam ihn
“wir werden die Welt beherrschen!”
Tau fiel von ihm auf die Hingebungsvollen. Sie rieben sich damit ein.

Zu dieser Zeit schwenkten Kirchenleute zu ihnen hinüber, dort wurden sie mit liebevoll geöffneten Armen empfangen.

Zum Gebetstreff kam die übliche Handvoll Seelen der Gemeinde, darunter kein Ältester. Da sie nicht wussten, wofür sie beten sollten, beteten sie für die kirchlich Erkrankten. Und für Weisheit.

Währenddessen im Hintergrund:
Zur Zeit jener Könige wird aber der Gott des Himmels ein Reich errichten, das in Ewigkeit nicht untergeht; dieses Reich wird er keinem anderen Volk überlassen. Es wird alle jene Reiche zermalmen und endgültig vernichten; es selbst aber wird in alle Ewigkeit bestehen.

Einheitsübersetzung


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